Du kennst sie sicher auch, die Rechthaber(innen) oder Besserwisser(innen)? Menschen, die keine andere Meinung, Tatsache oder Wahrheit außer ihrer eigenen gelten lassen. Ganz nach dem Motto: „Es kann nur eine Wahrheit geben- und das ist meine!“ Der Umgang mit solchen Menschen kann unangenehm, anstrengend und belastend werden.

Menschen mit diesem inneren „Programm“ wissen oft viel, halten sich für klug und intelligent, doch leider sind sie emotional unintelligent, wenig lebensklug. Und unbewusst Sie spüren nicht, wie stark sie sich selbst innerlich begrenzen und ihr Wachstum hemmen, da sie nur ihre eigenen Sichtweisen gelten lassen und sich gegen jegliche neue Erfahrung oder Selbstreflektion sperren. Sie werden ihr eigenes Gewässer nie verlassen oder beleben. Irgendwann beginnt es dort zu modern.

Was ist ein Rechthaber oder eine Besserwisserin eigentlich ganz genau? Es ist jemand, der nicht nur alles zu wissen glaubt und „unfehlbar“ ist, sondern auch jemand, der anderen sein Wissen oder seine Wahrheit unbedingt auf unmissverständliche Art vermitteln muss. Oft werden andere dadurch bloßgestellt oder klein gemacht. Jede andere Meinung, die sich von der eigenen unterscheidet, wird unschädlich gemacht, übergangen, oder durch aggressive Gegenargumente abgeschmettert. Selbst, wenn jemand anders interessante und nachweisbare Argumente vorbringt oder Recht haben könnte, wird die Bedrohung direkt im Anflug schon ausgeschaltet. Neue Ansätze kann ein Besserwisser nicht annehmen, da das ja eine Bestätigung dafür wäre, dass sein anderer Mensch mehr weiß als er („das wusste ich schon…“).

Was steckt hinter diesem Verhalten?

Besserwisser(innen) haben tief im Innersten häufig ein geringes Selbstwertgefühl und Minderwertigkeitskomplexe. Dieses Gefühl wird verdrängt und ist nur noch unbewusst vorhanden. Daraus resultiert aber der Drang, sich beweisen zu müssen, perfekt zu sein, keine Fehler zu haben, besser zu sein als andere Menschen oder die Macht zu demonstrieren. Es ist wie eine schützende starre Mauer, durch die niemand kommen darf, weil dahinter eine zarte und zerbrechliche Seele ist. Recht haben bringt Selbstbestätigung: Ich erhebe mich über die andere Person…bin in diesem Moment gewachsen. Leider hält dieses Gefühl nicht lange an und ich muss es ständig neu erzeugen. Ebenso freut sich das Ego, wenn ich einem anderen Menschen sein Leben erklärt habe. Ich habe ihm oder ihr den richtigen Weg aufgezeigt, belehrt und auf Fehler hingewiesen…ich habe die Schwachstelle gefunden! Wieder eine Bestätigung – ich habe Macht demonstriert. Wow!

Und so sind Menschen mit diesem „Muster“ letztendlich immer wieder dem Zwang der Selbstbestätigung ausgesetzt.
Wir können uns also aus dem Kopf schlagen, einen Besserwisser zu verändern, zu heilen oder zu überzeugen. Wir können nur UNSER Verhalten darauf abstimmen und uns schützen.

Was kannst Du tun?

Kontern: halte dagegen mit Fakten, Fragen und guten, wasserdichten Argumenten. Manchmal hilft auch Ironie, Sarkasmus oder Humor. Wichtig: Kontern ist anstrengend und schürt das Feuer. Bleibe sachlich und ruhig. Gute Fragen sind beispielsweise:
. Wie kommst Du darauf?
. Warum bist Du da so sicher?
. Kannst Du mir das noch einmal genau aufschlüsseln?
. Woher weißt du das?
. Hast du ein konkretes Beispiel?
. Welche persönlichen Erfahrungen kannst Du mir nennen?

Spiegeln: Spreche eine Besserwisserin auf ihr Verhalten freundlich und direkt an. Gebe ihr zu verstehen, dass Du Deine Entscheidungen gut alleine treffen kannst und keine Hinweise, Korrekturen, Kommentare oder Ratschläge benötigst. Dazu solltest Du sehr überzeugend, entschlossen und ruhig kommunizieren und eventuell mit lauter Stimme diesen Hinweis wiederholen, falls er ignoriert wird. Wichtig: lasse Dich nicht provozieren oder aus der Reserve locken, denn Besserwisser können mit Ablehnung nicht gut umgehen.

Ignorieren: Das wirksamste Mittel ist Kontern durch Gelassenheit.
Stelle Dir vor, Du bist gelassen wie ein großer sitzender Buddha, der über diesen Dingen steht und lächelt. Du hast es weder nötig zu streiten, noch, Dich zu rechtfertigen oder Sieger zu sein. Nimm das alles nicht so ernst und schon gar nicht persönlich.

Entweder überhörst Du die Kommentare oder Du antwortest mit: „Ja, Du hast recht“, „Ach, ist das so?“ „Mag sein“ oder „Ist ja wirklich interessant“.

Lasse dem Rechthaber seine Meinung, lächle in Dich hinein, wechsle das Thema oder mache einfach weiter mit dem, was Du vorher gemacht hast. Wenn er nicht aufhört, verlässt Du den Raum oder beendest das Gespräch am Telefon ganz ruhig. Je nachdem, in welchem Kontext Du einem Rechthaber begegnest, ist die eine oder andere Strategie besser oder schlechter geeignet. Wichtig für Dich ist ganz allgemein: Der Mensch gibt eine Visitenkarte über sich selbst ab. Mit Dir hat das nichts zu tun. Fühle Dich nicht angegriffen, sondern bleibe entspannt und innerlich distanziert.

Wenn Du spürst, dass Du Tendenzen zur Rechthaberei hast, beginne Dich zu erforschen:

– Was bringt mir das?
– Was ist so schlimm daran, andere Meinungen gelten zu lassen?
– Warum dürfen andere Menschen keine „Fehler“ machen?
– Wann verspüre ich besonders den Drang, jemand anders zurechtzuweisen oder seine Fehler zu suchen?
– Wie lange hält das Gefühl von Bestätigung?
– Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin: wie stehe ich zu mir außerhalb dieser Mauer?
– Was könnte ich gewinnen durch eine Öffnung der Mauer?
– Wer/was könnte mir dabei helfen, ein echtes Selbstwertgefühl zu entwickeln?
– Mit welchen kleinen Schritten könnte ich beginnen?
– Was passiert, wenn ich diesen inneren Impuls zurückhalte?

Du kannst dann natürlich immer noch vollkommen frei entscheiden, ob Du ein Besserwisser bleiben möchtest oder nicht 🙂