Wenn man die Chance bekommt, Führungskraft sein zu dürfen, kommt man unweigerlich und oftmals sehr schnell an die Frage: Wie machst Du das eigentlich? Was ist denn richtig? Alle Grundsätze und Prinzipien hin oder her – was hält all das im Kern zusammen?

Bevor Du Dir diese Frage stellst, steht davor noch die Überlegung: Führe ich mich selbst eigentlich richtig? Wie mache ich das?

Antwort:

Herr und Mensch sein! Immer!“

Ein einfacher aber sehr folgenreicher Satz. 

Die Damen sollen sich hier nicht benachteiligt fühlen – ich meine den „Herrn“ nur symbolisch in Bezug auf die Eigentschaften, die dem zugeordnet sind.

Wer führt steht vorne. Er trifft die Entscheidungen, gibt Richtung vor, verantwortet das Ergebnis und Blicke richten sich auf ihn.

Auch in Bezug auf Selbstführung trifft das zu: Du bist für das verantwortlich, was Du tust oder nicht tust. Du gibst Dir und Deinem Leben Richtung vor und setzt Dir selbst Ziele.

„Herr“ ist ein mittelalterlicher Begriff. Er wurde zur Ansprache obrigkeitlichen Personen genutzt. Ein Herr war jemand, der eine fast vollständige Kontrolle über Dinge und Personen hatte. Er hatte Macht – fast uneingeschränkte Macht.

Ein Herr zögerte nicht, von dieser Macht Gebrauch zu machen. Insbesondere dann nicht, wenn einschneidende und harte Entscheidungen getroffen werden mussten.

Er war verantwortlich. Niemals wäre er unangenehmen Anforderungen, die an ihn gestellt wurden ausgewichen. Er war hier, um zu entscheiden und seine Entscheidung zu verantworten. 

Sein Ziel war es, etwas zu erschaffen und nicht zu entschuldigen, was er nicht getan hatte. Er sollte Dinge besser machen….um ihrer selbst Willen. Er war der Katalysator für die notwendige Entwicklung.

Mit nie enden wollender Energie und unerschütterlicher Entschlossenheit stellte er sicher, dass alles getan wurde, was notwendig war, egal wie groß die Schwierigkeiten waren. Ängste unterdrückte er nicht – er stellte sich ihnen. Er überlegte, wog ab und erreichte dann mit Disziplin seine Ziele. Anders gesagt: Er ging mit Macht reif um! Ein Herr konnte das Vorgehen besser denken, berechnen, führen und verantworten als jeder andere. Ihm ging es um seinen Beitrag zum Aufbau etwas Großartigem. Er wollte gestalten! Um sich herum hatte er die Besten, die man landauf landab finden konnte. Er wusste sie einzusetzen, zu koordinieren und zu Durchschlagskraft zu bringen.  

Der Begriff „Herr“ macht auch deutlich, dass er die Distanz wahren konnte. Er nutzte Gefühle als Antrieb für Handlung und nicht als Bremse oder Ausrede für Versagen. Er bezifferte das, was er beziffern konnte.

Dann ist da die andere Seite: Der „Mensch“. Zusammen mit dem „Herrn“ entsteht ein fast dialektisches Begriffspaar. 

„Mensch“ meint hier jemanden, der nicht die großen lauten Auftritte sucht. Jemanden, der „auf dem Teppich bleibt“, der nicht überheblich prahlt und der gut entwickelte emotionale und soziale Fähigkeiten besitzt. Er handelt geräuscharm und wirkt durch empathische, gelassene Entschlossenheit.

Ein „Mensch“ urteilt ausgleichend und nicht vorschnell. Sein Menschenbild ist positiv aber nicht naiv.

Er glaubt an den intrinsisch motivierten, zur Selbststeuerung fähigen und grundsätzlich vertrauenswürdigen Menschen. An den Träger von Talenten, der getrieben ist von dem Wunsch „einen Beitrag  zu leisten“, auf der Suche nach Anerkennung, Verantwortung und Sinn. Er traut anderen etwas zu und fördert Proaktivität. Fehler sieht er als Mittel zum Zweck, um zu wachsen und zu lernen.

Sein zentraler Wert für all das ist FREIHEIT und AUTHENTIZITÄT. 

Menschen sind frei und selbstbestimmt! Wir brauchen kein Zwangsregime sondern  einen  Ort für Selbstverwirklichung; immer am Beitrag zum Ganzen orientiert.

Ein Mensch nimmt Gedanken und Gefühle wahr und geht achtsam damit um. Veränderung betrachtet er immer ganzheitlich, da er niemals vergisst, dass Menschen Seelenwesen sind.

 

Die Worte „Herr und Mensch sein!“ verbindet das UND. Damit ist ein Spannungsfeld zwischen zwei Polen aufgemacht. Was ist also richtiges Führungsverhalten?

Richtiges Verhalten ist situatives Verhalten.

Wie ein Lautstärkeregler, der zwischen den beiden Begriffen verschoben werden kann, sollte man das angemessene Maß finden aus beiden Polen. Die Kombination aus Herr und Mensch setzt den Bezugsrahmen für den Führungsalltag und ist der Leuchtturm an dem sich eigenes Verhalten ausrichtet.

Es gibt Situationen, in denen es zunächst unabdingbar ist, als Herr auf Situationen zu schauen und als ein Herr Ziele zu erreichen und mit Menschen umzugehen.

Genauso darf der „Mensch“ in uns nicht fehlen. Ausschließlich betrachtet kommen wir weder NUR durch das eine oder NUR durch das andere Verhalten erfolgreich durch unser Leben.

Erst die Kombination aus beiden Teilen ermöglicht uns, auch große Herausforderungen zu meistern,  den Überblick zu behalten, das Heft in der Hand zu haben, reif zu urteilen und alle Faktoren zu berücksichtigen, die ein Thema mit sich bringt.

Doch was bedeutet das in Bezug auf das Führen von persönlichen Beziehungen oder einer Liebesbeziehung?

Der Herr in uns lässt uns mit der Verantwortung, die wir dort tragen oder mit dem Herzen eines Menschen, der sich uns anvertraut hat, achtsam umgehen.

Der Herr lässt sich weder von der Angst zu scheitern, noch vor der Angst die „Kontrolle“ zu verlieren davon abhalten, sich für seine Ziele und Träume einzusetzen.

Der Herr drückt nicht weg, oder läuft davon wenn es zu kämpfen gilt! Er stellt sich seinen Gefühlen, er setzt sich mit aller Kraft für das ein, was ihm wichtig ist.

Eine Niederlage wird ihn niemals dazu bringen, eine Beziehung zu einem Menschen aus den Händen gleiten zu lassen, der ihm sehr viel bedeutet. In einer Beziehung gibt es zwei Menschen, die als Herr unbeirrt ihren Weg gehen und sich in den Wirren und Annehmlichkeiten des Alltags ihren gemeinsamen Weg suchen. Sie binden sich in Freiheit und schätzen sich als ganzen Menschen in all dem, was sie ausmacht.

Der Herr macht sich immer wieder bewusst, dass eine Beziehung davon lebt, sich jeden Tag neu zu entdecken. Er setzt Träume in die Realität um.

Der Mensch in einer Beziehung lässt Verletzlichkeit und Nähe zu. Er spürt, dass eine wirkliche Verbindung nur dann zustande kommen kann, wenn er sich auf den Partner einlässt, mit allen Seiten und Facetten, die ihn ausmachen.

Der Mensch in uns verzeiht Fehler und akzeptiert Unvollkommenheit: Bei sich selbst und bei dem Partner!

„Liebe mich dann, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten!“

Eine Beziehung als Mensch wird aus dem Herzen geführt. Es ist nicht nur ein schöner Augenblick oder eine schöne Zeit, sondern die bewusste Entscheidung für einen Lebensstil, eine Haltung, eine Entscheidung für einen Menschen.

Liebe als Mensch bedeutet auch Hingabe, Freude und Leidenschaft. Es ist das Gegenteil von „Distanz“ wahren. Nur so können wir Erfüllung und Glück erleben. Es bedeutet, den Sicherheitsanker abzuschneiden und alle Masken abzulegen.

Vertrauen entsteht aus dem „sich-an-vertrauen“, es entsteht aus dem offenen Umgang mit Schwächen und Fehlern, aus Geben,…aus Ehrlichkeit.

Ehrlichkeit und Offenheit fordert auf der anderen Seite auch die Bereitschaft, den Partner aufzufangen, ihn nicht fallenzulassen und für ihn da zu sein.

Wenn es Dir gelingt, das Prinzip „Herr“ und „Mensch“ auch in Deiner privaten Beziehung gemeinsam mit einem Partner zu leben, wirst Du spüren, dass Du tatsächlich ankommen kannst. Manchmal bedeutet „Suche“ und „Zerrissenheit“ auch nur, sich selbst noch nicht gefunden zu haben. Manchmal ist das Glück schon da…Du musst nur danach greifen.

Was kannst Du tun?

Suche Dir ein paar Situationen oder Themen aus Deinem Alltag, die Deiner Meinung nach nicht optimal gelaufen sind und überprüfe Dein Verhalten in Bezug auf Herr und Mensch. Hättest Du anders reagieren können? Was fällt Dir leicht, was schwer?

Was kostet Überwindung, würde Dir aber eine Menge nutzen?

Gibt es Situationen, in denen Dein Wunschbild von Deinem tatsächlichen Verhalten abweicht? Wie kannst Du das ändern?

Was macht Dich eigentlich wirklich glücklich? Handelst Du dort als Herr und Mensch?

Springe über Deinen Schatten und probiere es aus!