Teil 1: Ein neues Führungszeitalter ist angebrochen. Mitarbeiter, die schweigend ohne zu murren zugeteilte Aufgaben ausführen, haben in vielen Unternehmen ausgedient. Selbstgesteuerte, agile Teams sind auf dem Vormarsch und Mitarbeiter wünschen sich Mitspracherechte. Die Bedingungen für stabile Leistung sind herausfordernder geworden: kurze Zyklen und Arbeitsverdichtung sind alltäglich. Auch, wenn Flexibilität und Freiheit wachsen, verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit
und Privatleben. Der Input scheint nicht zu enden.

Arbeitskomplexität und stärkere Vernetzung fordert von jedem Mitarbeiter mehr Initiative. Einerseits wünschen sich viele Mitarbeiter mehr Freiheit, andererseits fehlt es an Selbstverantwortung. Mitarbeitern kosten gerne die angenehmen Seiten von mehr Autonomie aus, sind am Ende aber doch nicht wirklich bereit oder fähig, in der Ganzheit mitzudenken, zu entscheiden und für das eigene Handeln und Nichthandeln einzustehen.

»Ein gesundes Maß an Eigenverantwortung ist fundamental und sichert die Balance in schwierigen Situationen«

Mehr Eigenverantwortung bedarf einer grundsätzlichen Bewusstseinsveränderung. Es ist ein Mensch, der hinter dem steckt, was täglich eigenverantwortlich funktionieren soll. Dieser Mensch muss zu sich selber stehen, Lösungen anstatt Schwierigkeiten finden wollen, Lern- und Kritikfähigkeit besitzen und ebenfalls in der Lage sein, sich dem Leistungsdruck und der ständigen Erreichbarkeit selbstverantwortlich zu stellen. Es ist die eigene vitale Geisteshaltung, die zählt.

WARUM ÜBERNEHMEN MITARBEITER WENIG EIGENVERANTWORTUNG?

Ganz allgemein sorgt unser Ego dafür, dass sein Selbstbild intakt bleibt. Wenn Schwierigkeiten auftreten, zeigen Menschen schnell den Impuls, die Schuld bei anderen zu suchen. Das Selbstwertgefühl vieler Menschen ist an einen intakten „Marktwert“ gekoppelt. Diese Abhängigkeit erzeugt automatisch Hemmnisse für eigenverantwortliches Handeln: Harmoniesucht, Angst vor Ablehnung oder Kritik, Perfektionismus und Selbstzweifel.

»Eine starre Compliance-Kultur und die Bestrafung von Fehlern (Fingerpointing) führen dazu, dass Mitarbeiter in erster Linie ihr Ego schützen, anstatt Fehler zuzugeben«

Liegt der Fokus stark auf der Erfüllung von Vorgaben oder Zielwerten, stehen die Erreichung von Sollzahlen und die dafür notwendigen Tätigkeiten im Vordergrund. Hier wird nicht selten Augenwischerei gefördert, die mit verantwortlichem Handeln wenig zu tun hat. Selbstverantwortung „herstellen“ oder „einfordern“ kannst Du nicht. Schaffe optimale Voraussetzungen, Möglichkeiten und Anreize, damit Selbstverantwortlichkeit entdeckt werden kann und wächst. Es gibt Mitarbeiter, die einen eigenen Motor dafür haben, in Führung und Eigenverantwortung schnell hereinzuwachsen und es gibt Menschen, bei denen dieser Motor verborgen bleibt.

»Die Unternehmenskultur bildet den Rahmen, der Verantwortungsbewusstsein fördert oder hemmt«

WIE KANN DIE UNTERNEHMENSKULTUR SELBSTVERANTWORTUNG FÖRDERN?

• Führungskräfte leben Eigenverantwortung positiv vor.

• Proaktives, selbstverantwortliches Handeln wird schon in kleinen Ansätzen wertgeschätzt und erkannt („Hinzu-Kultur“ anstatt „Weg-von Kultur“). Fehler werden als Lernchance verstanden.

• Mitarbeiter erhalten Vertrauen und ausreichend Handlungsräume, damit sie Entscheidungen treffen können.

• Persönlichkeitsentwicklung und das Selbstwertgefühl werden gestärkt. Schädliche Antreiber oder Verzerrungen können so erkannt und deren Auflösung gefördert werden.

• Konzentration zählt anstatt sinnloses Streben nach Multitasking. Mitarbeiter arbeiten nicht nur reaktiv mit hoher Schlagzahl Aufgaben ab, sondern erhalten Raum für Kreativität und Vogelperspektive.

• Aus einer Vision werden transparente Strukturen, Ziele und ein roter Faden abgeleitet, die nicht alle Nase lang wieder
über den Haufen geworfen werden.

Unreflektiertes Führungsverhalten ist mit ein Grund dafür, dass Mitarbeiter zu sehr von der Hilfe oder Entscheidungen ihrer Führungskraft abhängig sind. Abhängige Mitarbeiter werden gezüchtet, teilweise ohne es zu merken. Gleichzeitig regt man
sich über die mangelnde Eigenverantwortung auf.